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Forum - Veröffentlichungen auf den Schattenzeilen - Blogbeiträge

»Über das Verstecken von Neigungen« von Robert S

Bezieht sich auf den Blogbeitrag »Über das Verstecken von Neigungen«.

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Schattenwölfin

Autorin. Korrektorin. Förderer.

23.02.2022 um 20:37 Uhr

Es gibt zwei Vergleiche, denen ich immer wieder begegne und die in meinen Augen beachtlich hinken.

 

Der eine betrifft das Schreiben von BDSM-Geschichten und das Argument, wenn jemand den Kopf über dieses Genre schüttelt, dass Krimi-Autoren schließlich auch keine Mörder sind. Im Grunde ist selbsterklärend, was hier nicht passt. Wer BDSM schreibt, ist im besten Falle ein BDSMler (wohin es führt, wenn nicht, sieht man bei den 50 Shades), er tut es also: nicht morden, aber sich mit Hingabe und Zustimmung den Hintern versohlen lassen z.B..

 

Der zweite Vergleich ist der mit der Akzeptanz von Homosexuellen und BDSMlern in der Gesellschaft.

 

Ich befürchte, dass die Gesellschaft, vor allem was homosexuelle Männer betrifft, noch lange nicht so fortschrittlich ist, wie die liberalisierten Gesetze es signalisieren. In vielen Köpfen sind die Vorurteile sehr gegenwärtig.

Selbstverständlich sollte ein Gesetzgeber die Gleichstellung der Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Neigung oder Geschlechterpräferenzen weitreichend umsetzen; allein davon wird die gesellschaftliche Akzeptanz nicht steigen. Die muss aus deren Mitte kommen, und da mögen in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht worden sein, ein Blick oder Ohr zum ein oder anderen Stammtisch lässt jedoch ahnen, dass es noch Zeit braucht, bis das in allen Köpfen und Herzen angekommen ist. Ich befürchte sogar, dass der Applaus, würden die gesetzlichen Anpassungen der letzten Jahre zurückgenommen, deutlich vernehmbar wäre.

 

Was den Homosexuellen dabei am Ende mehr geschadet als genutzt haben wird, ist möglicherweise ihr Auftreten, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich kenne genug Leute aus unserer Baby-Boomer-Generation, die sagen: „Ich habe nichts gegen Lesben und Schwule. Wenn sie aber normal behandelt werden wollen, dann sollen sie doch bitte nicht so laut und tuntenhaft auftreten.“  Ich kenne sogar BDSMler, die das so empfinden.

 

Die beabsichtigte Signalwirkung dieser - ich wähle mal bewusst das Wort - schamlosen Auftritte ist sicher eine gute: Aufmerksamkeit für die Sache zu gewinnen. Gerade auf den  CSD-Paraden vermischt sich das mit viel Selbstinszenierung. Da will gezeigt werden, man sei etwas Besonderes, anders - nicht unbedingt förderlich für eine breite Akzeptanz.

Das gilt für die Homosexualität und entsprechend für BDSM.

 

Damit bin ich bei der Schamhaftigkeit. Für mich ist der Begriff nicht negativ besetzt, sondern die Scham hat eine gewisse Schutzfunktion, mit der ich - ganz anders als die, die beim CSD in der erster Reihe tanzen - meine Sexualität und Intimität vor den Blicken anderer Menschen schütze. Umgekehrt möchte ich auch von anderen Menschen, vollkommen unabhängig von ihrer Neigung, nicht wissen, was sich in ihren Schlafzimmern und sonst abspielt. Da gucke ich nicht hin, sondern wende meinen Blick ab. Sicher auch eine Form von Schamgefühl. Negativ besetzt ist dieses für mich nicht.

 

Was mich interessieren würde: Woher nehmt Ihr -  Tek Wolf und Robert S  - diese Gewissheit, dass BDSM noch immer überwiegend als verrucht, verdorben wahrgenommen und niemals salonfähig werden wird?

Ist das wirklich so?

 

Zwei grundsätzliche Probleme haben BDSMler jedenfalls nicht: Sie durften - sofern heterosexuell - schon immer heiraten und ihre Praktiken sind bei Einvernehmlichkeit strafrechtlich schon lange nicht mehr relevant. Ich denke, die gesellschaftliche Akzeptanz wird dem folgen, und hier haben die 50 Shades am Ende mehr „für uns getan“ als manch verstörend wirkender Aufzug bei den genannten Paraden.

 

Großartig, ein Blogbeitrag, der solche Reaktionen hervorruft. Danke dafür Robert S und allen anderen für ihre Anmerkungen.

 

Wölfin

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Sophie Amalia

Autorin.

24.02.2022 um 14:13 Uhr

Lieber Robert S,

danke für dieses Thema.

Meine Beziehungen und meine Sexualität sind privat. Mit Freunden kann ich darüber offen reden, schambehaftet empfinde ich dabei nichts. Akzeptanz ist beidseitig gegeben, obwohl ich auch Nicht-BDSMler in meinem Freundeskreis habe. Für mich persönlich ist also alles gut.

Ich rede über BDSM-Themen oder Ähnliches generell nicht mit meinen Arbeitskollegen und von daher habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, welche Auswirkungen meine BDSM-Affinität auf mein Berufsleben haben könnte, würde etwas davon auf irgendeinem Weg öffentlich werden. Wenn ich aber ehrlich bin, ich bin recht entspannt dahingehend. Empfinde aber Vorbehalte gegenüber BDSM auch gar nicht so drastisch wie Du vielleicht.

Letztlich habe ich kein Bedürfnis, mich gegenüber jedem in BDSM-Hinsicht zu outen. Mein Privatleben ist privat. Ich kenne Gleichgesinnte und gute Gesprächspartner, habe ich auch noch einen kompatiblen BDSM-Partner an meiner Seite, habe ich alles, was ich benötige.

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Gelöscht.

25.02.2022 um 00:58 Uhr

Sehr interessantes Thema, welches mich auch schon lange umtreibt. Danke also für den Anstoß! Natürlich treibt es mich um etwas zum Thema beizutragen. Habe erst einmal alle verfügbaren Kommentare gelesen.

Da offenbart sich schon das erste Problem. Jeder einzelne Beitrag vermittelt einen Standpunkt. Zusammengefasst ähneln sich die Ansichten erstaunlich. Die Gewichtung fällt bei jedem etwas anders aus, sind aber weitestgehend deckungsgleich. Viele richtige Schlüsse sind schon gezogen worden. Die Liberalisierung in unserer Gesellschaft ist die eine Seite. Wenn es zu einem Wandel in der Wahrnehmung kommt, hat das ganz handfeste Gründe. Was hat zu einer "Ächtung" bestimmter Befindlichkeiten im Zusammenleben geführt? Nicht nur in unserem Kulturkreis spielt Religion eine sehr große Rolle. Im Hinblick auf Sexualität ganz besonders! Eine Wertung muß jeder für sich vornehmen. Praktiken, welche von der vermeintlichen "Norm" abweichen haben es per se schwerer in der Akzeptanz der Masse. Reizvoll ist alles was "exotisch" ist und sich mit der Aura des Geheimnisvollen umgibt. Der Reiz des "Verbotenen" und des "Verruchten" wird wahrscheinlich ewig existieren. Böse Zungen behaupten: Regeln sind da, gebrochen zu werden. Was, wenn es keine Regeln mehr gibt? Eine "Enttabuisierung" aller sexuell motivierten Praktiken kann nicht das "Ziel" sein. Wer kann und darf aber entscheiden, was tolerierbar ist? (Pädophilie, Nekrophilie ...) BDSM, im Besonderen, nutzt eigentlich nur "negativ" belastete Aktionen. Das Zufügen von Schmerzen stand im engen Zusammenhang mit Strafen für "Verfehlungen". Inwieweit die Delinquenten bei mittelalterlichen Leibstrafen sexuelle Lust empfanden, ist fraglich? Bei den Scharfrichtern und Henkern kann man sich das schon vorstellen. (bestimmte Neigungen schlagen sich oft auch bei der Berufswahl nieder)

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Campanula

Autorin.

25.02.2022 um 15:00 Uhr

Ich vermute auch, dass es hier eher darum geht, etwas sehr Privates öffentlich zu machen. In Bezug auf die Beispiele: Wäre es tatsächlich ein so großer Unterschied, wenn bei der Erzieherin, dem Bauunternehmer oder dem Kinderbuchautor ganz "normale" sexuelle Aktivitäten an die Öffentlichkeit dringen würden? Wenn es von der Erzieherin pikante Fotos im Internet gäbe, der Bauunternehmer in einem pornografischen Amateurfilm zu sehen wäre oder der Kinderbuchautor erotische Literatur schreiben würde? Ich denke wie einige andere hier auch, dass es vor allem um die Verletzung der Intimsphäre und des Schamgefühls geht. Ich möchte einfach nicht wissen, wie Menschen, mit denen ich im beruflichen Umfeld zu tun habe, sich beim Sex verhalten. Das gehört da einfach nicht hin. Und ebenso wenig möchte ich, dass sie von meiner Sexualität wissen.

 

Die Frage der Öffentlichkeit stellt sich für BDSM'ler doch eigentlich nur, wenn die eigene Neigung über die rein private Sexualpraktik hinausgeht und zum Lebensstil wird oder jemand sein "Hobby" (= seine Neigung) zum Beruf macht. Für mich persönlich stellt sich dieses Dilemma dadurch, dass ich schreibe und dieses Schreiben eben an das Licht der Öffentlichkeit drängt. Würde ich meine Texte nur für mich selbst verfassen, würden sie die Seiten meines Tagebuchs oder die Festplatte meines Rechners nicht verlassen, müsste niemand je erfahren, wie ich ticke (es sei denn, er oder sie durchwühlt zuhause meine Schubladen). Aber an dieser Schnittstelle beginnt nun für mich die Ambivalenz, denn das, was geschrieben wurde, möchte gelesen werden. Ich möchte es mit anderen teilen, suche nach Resonanz und Rückmeldung. Und indem ich auf diese Weise öffentlich werde, überschreite ich tatsächlich eine Grenze und gehe ein Risiko ein, umso mehr, als sich meine Motive auch innerhalb des BDSM in Grenzbereichen bewegen. Gerade deshalb ist es mir aber umso wichtiger, meine Anonymität zu wahren und meine Identität zu schützen - weil ich zwar als Autorin sichtbar werden, als Privatperson mit meiner Sexualität aber nicht erkannt werden will.

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Queeny

Förderer.

27.02.2022 um 15:22 Uhr

Ich denke auch, dass meine Sexualität privatsache ist.

Es ist ganz egal welche Neigungen jemand hat, es interessiert mich auch nicht! Ich akzeptiere und toleriere einfach die Vielfältigkeit und Individualität jedes Menschen vorurteilsfrei!

Queeny

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Sizilia Luber

Autorin.

28.02.2022 um 21:19 Uhr

Danke für den Beitrag, Robert S!

Tja, was würde passieren, wenn... Im Freundeskreis habe ich das Thema schon offen angesprochen. Aber die Neugier, die Fragen, die Vorstellungen, die da aufkommen, sind schon erstaunlich. Manchmal erstaunlich weit an der Realität vorbei. Wie wäre es da bei Unbekannten oder - noch schlimmer - Menschen, die einem, auf gut Deutsch, an den Karren pissen wollen? Kollegen, Chefs, die Nachbarn... Antipathien gibt es ja überall. Und was ist da leichter, als jemanden in eine beschmutzte, bösartige Schublade zu stecken, um demjenigen / derjenigen zu schaden? Auch ich schreibe hier - wie viele andere - unter einem Synonym und würde nicht wollen, dass es aufgedeckt wird. Ich denke nicht oft darüber nach, was passiert, wenn ich ohne mein Einverständnis geoutet werde. Aber eines ist sicher: Geredet wird immer. Da hilft nur Hoffen und eine gesunde ist-mir-egal-Einstellung.

Sizilia

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Devana

Autorin. Korrektorin. Teammitglied.

01.03.2022 um 00:21 Uhr

Sizilia Luber:

 

Jetzt bin ich neugierig: Welche Fragen kamen denn auf?

 

Devana

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Gelöscht.

13.03.2022 um 11:56 Uhr

Leider betrifft die Stigmatisierung nicht nur BDSM, ich habe aus meiner Erfahrung genommen, daß jede selbstbewusste und lustvolle Sexualität negativ bewertet wird. Dabei ist es so wichtig eine eigene Sprache hierzu zufinden. Das "normale" Rollenspiel der devoten Hausfrauen die kochen, putzen und den Kindern den Po versohlen ist meiner Meinung nach ziemlich doll BDSM. Nur weil es nicht lustvoll (bzw mündig) ist und keine Freude bereitet, gesellschaftlich oft akzeptiert. 

Eine aufgeklärte Gesellschafts- und Religionskritik wäre doch mal n Anfang. ;)

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Devana

Autorin. Korrektorin. Teammitglied.

14.03.2022 um 21:01 Uhr

Liebe ,

 

Das "normale" Rollenspiel, wie du es nennst, hat in meinen Augen so rein gar nichts mit BDSM zu tun, sondern leider oft eher etwas mit körperlichem oder seelischem Missbrauch.

 

Das Versohlen von Kindern ist gleichfalls nicht mehr gesellschaftlich akzeptiert. Glücklicherweise.

 

Devana

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Gelöscht.

15.03.2022 um 17:57 Uhr

Danke für den Hinweis, Devana! Das war auch mein erster Gedanke. Ist aber glaube ich nicht so gemeint.

Etwas ungünstiges Beispiel - gleich so einen "Aufhänger" mitzuliefern. Aber da ist was dran, finde ich! Die Schnittmengen definiert jeder etwas anders und das Ding mit dem "Wasser predigen und Wein trinken" ist auch nicht ganz neu. Die Rettung des Patriarchats fordert halt Opfer.

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